Grunwald & Grunwald
Architektur und StädtebauGrunwald & Grunwald Architektur und Städtebau

Heiterblick Süd – Leipzig

Städtebaulicher Realisierungswettbewerb, Anerkennung


Verfahren:
Offener, zweiphasiger städtebaulicher Realisierungswettbewerb nach RPW 2013

Bearbeitung:
2024 in Zusammenarbeit mit häfner jiménez betcke jarosch Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin und Wasser Hannover GmbH

Fakten:
Klimaresiliente, gemeinwohlorientierte Quartiersentwicklung, zentraler Landschaftssee, intenvsiv begrünte Straßen und Plätze, urbane Wohnungstyploglien, Punkthochhäuser als Akzente im Quartier

Plangebiet: 30 ha
Anzahl Wohneinheiten: ca. 2.200
BGF: ca. 220.000 qm
GRZ: 0,5
GFZ: 2,2

Auslober:
Stadt Leipzig
Dezernat Stadtentwicklung und Bau
 



Leitidee

Merkmal des neuen Stadt- und Landschaftsraums sind vier, leicht versetzt zueinander angeordnete Nachbarschaftsquartiere, die durch einen ökologisch geprägten, agrikulturellen Landschaftsraum gefasst werden. Ein zentral gelegener Landschaftssee schmiegt sich zwischen die Quartiere und wird zu einem prägenden Freiraumelement, welches die Wohnviertel miteinander verbindet. Er stellt ein identitätsstiftendes Element dar, das die Lebensqualität im Quartier erhöht.

 

Charakteristik

Die durch Transformation der Landschaft gebildeten Nachbarschaftsquartiere sind stark durchgrünt, bioklimatisch gut durchlüftet und nach dem Schwammstadtprinzip entwickelt. Das Quartier ist aufgrund eines intelligenten Umgangs mit Niederschlagswasser weitgehend gegenüber Hitze, Dürre und Starkregen resilient. Durch die gezielte Vernetzung von Wasserflächen, Rigolen, Regengärten, Dach- und Fassadenbegrünung wird ein gesundheitsförderndes Aufenthaltsklima erzeugt, das die Lebensqualität der Bewohner fördert. Kennzeichen der neuen Quartiere sind angenehm proportionierte, schattige öffentliche Räume, die in eine ganzheitliche Niederschlagswasserbewirtschaftung eingebunden sind. Diese multifunktionalen Flächen haben eine hohe Aufenthaltsqualität, fördern aufgrund ihrer progressiven Bepflanzung die städtische Biodiversität und tragen zur Erholung bei. Weitere Merkmale sind eine vielfältige Mischung von sozial verträglichen, bezahlbaren und individuellen Wohnangeboten und die daraus resultierende typologische Vielfalt der Bebauung. Die Einordnung von nachhaltigen, Versorgungs-, Sport- und Bildungseinrichtungen, sowie von Vereinen und am Gemeinwohl orientierten Nutzungen trägt zur Lebendigkeit bei. Nichtstörende, wohnverträgliche Dienstleistungen und Gewerbeeinrichtungen (Handwerker, Handel, urbane Produktion) an der lärmbelasteten Permoser Straße fördern eine Stadt kurzer Wege. Charakteristisch für das neue Quartier sind baumbestandene Wohn- und Erschließungsstraßen von hoher Aufenthaltsqualität für Bewohner. Aufgrund einer intelligenten Mobilitäts- und Parkraumstrategie mit einem Quartiershub je Viertel und Mobilitätsangeboten für „die letzten Meter“ gelingt es, den ruhenden Verkehr an den Quartierseingängen zu bündeln und die Viertel mit ihren wohnungsnahen Grünflächen grundsätzlich verkehrsreduziert zu gestalten.

 

Einbindung in den räumlichen Kontext

Das neue Seeviertel Heiterblick ist selbstverständlich in den geschützten Landschaftsraum eingebettet. Zur Sicherstellung der Landschaftsqualität und der Erhaltung der klimatischen Funktionen schlagen wir einen gestuften Übergang vor. An die Siedlungsränder grenzen eher kleinteilig strukturierte Flächen für die Bewirtschaftung als „Genossenschaftsäcker“ oder individuell zu mietendes Grabeland. Daran schließt der Gürtel großflächigerer Einheiten für ökologische Landwirtschaft mit Weiden und Feldern an. Merkmal dieser neuen Kulturlandschaft ist eine gute Vernetzung zum Siedlungsraum Heiterblick Nord, dem Grünen Bogen Paunsdorf Westen und den Siedlungsflächen jenseits der B 6. Die Verknüpfung erfolgt über „Heckenwege“. Die Fortführung des Lärmschutzwalles an der A 14 fasst den Landschaftsraum und bietet aufgrund der Topografie und der Bepflanzung eine attraktive Kulisse im Osten des Entwurfsgebietes. Durch das Prinzip „cut and fill“, Aushub und Aufschüttung, kann der Wall kostensparend mit dem Aushub des Landschaftssees und der Baufelder schrittweise modelliert werden.

 

Klimaresilienz – attraktives Stadtbild

Die neuen Quartiere sind stark durchgrünt und vielfältig mit dem Freiraum verzahnt. Zur Minimierung von Wärmebelastungen werden die Versiegelung reduziert und schattenspendende Baumpflanzungen angelegt. Wichtiges Merkmal ist neben einer guten Durchlüftung der Quartiere der zentral gelegene Landschaftssee. Der See ist nicht nur ein wichtiger Baustein für eine positive klimaangepasste Entwicklung (Ableitung von überschüssigem Niederschlagswasser in offenen Kanälen, Sammlung, Rückhaltung und Verdunstung, Schutz vor Starkregenereignissen mit Nutzung einer Staulamelle im See, Vermeidung von Überhitzung in den Sommermonaten, etc.), sondern er liefert einen ökologisch wertvollen Beitrag zu einem zeitgemäßen und attraktiven Stadtbild. Durch seine Form partizipieren alle vier Viertel vom See und ermöglichen einer großen Anzahl von Wohnungen ein "Wohnen am Wasser". Er liegt an einer topografisch günstigen Stelle und wird mit ständiger Wassersäule ausgebildet.

Grundkonzept Schwammstadt:

  • Dezentrale Versickerung, d. h. kleinflächige Versickerung in Grünflächen vor Ort, semizentrale Versickerung, d. h. Nutzung der grünen Quartiersplätze für größere Retentions- und Versickerungseinheiten und zentrale Ableitung des Überschusses in Landschaftssee mit Staulamelle über oberirdische Gräben und Kanäle
  • nur oberirdische Versickerung und Ableitung des Oberflächenwassers, keine Kanäle
  • Baumrigolen in den Multifunktionsstreifen
  • Einleitung und Reinigung des überschüssigen Wassers in Retentionsbodenfiltern
  • Einleitung des gereinigten Wassers in den Landschaftssee (Wasserflächen von ca. 15.000 m2)
  • Sicherung der Wasserqualität des Sees durch Zirkulation und Durchströmung mittels solargetriebener Pumpen
  • Hochwasserschutz durch topografische Gestaltung des Sees
  • Retentionsflächen am Oberen Gewändegraben (3,5 ha) für das 100-jährige Regenereignis
  • Entspannung der Überflutungsgefahr bei Starkregen

Multifunktionalität Schwammstadt:

  • Entwässerung, Versickerung und Kühlung durch Verdunstung
  • Stärkung ökologischer Potenziale durch abwechslungsreiche Vegetation
  • Möglichkeiten der Naherholung
  • Landschaftliche Gestaltung der Quartiere

     

Mobilität und intermodale Erschließung

Die zukünftige Verkehrsstruktur basiert auf einem effizienten Ringsystem, das über zwei Knotenpunkte an die Paunsdorfer Allee angebunden ist und die Quartiere selbstverständlich verbindet. Für die Rettungswache wird eine Anbindung an die B 6 vorgeschlagen. Die weitere innere Erschließung der Quartiere erfolgt über fußgängerfreundliche Wohnwege, die nur im Ausnahmefall von Autos genutzt werden. Zur Sicherstellung der individuellen Mobilität bietet die Tram eine leistungsfähige Verbindung zur Innenstadt. Darüber hinaus wird in jedem Viertel ein gut auffindbares Quartiershub mit ca. 370 Kfz-Stellplätzen + Carsharing Stellplätzen vorgeschlagen. Diese Quartiershubs sind zentraler Abstellort für die Kfz von Bewohnenden und Gästen. Ergänzende Mobilitätsangebote für Räder, Scooter, etc. stellen die Erreichbarkeit bis zur Wohnung sicher. Durch dieses intermodale Verkehrssystem werden im Bereich der Wohnwege nur Kurzzeitstellplätze für Logistik und Anlieferung, Stellplätze für Alleinerziehende und behinderte Menschen sowie Carsharing-Stellplätze vorgesehen.

Das Rad- und Gehwegnetz ist gut entwickelt und stellt wichtige Verbindungen zum Landschaftsraum her. Bei dem vorgeschlagenen „1.000-Meter-Loop“ handelt es sich um einen aktiven, gesundheitsfördernden Rundweg entlang des zentralen Landschaftssees, der nicht nur die Quartiere verbindet, sondern mit seinen spannenden Orten und Blickbeziehungen romantische Stadt- und Landschaftssituationen inszeniert.

 

Nutzungsverteilung im Quartier / Neue Nachbarschaften und soziale Mischung

Der neue Stadtteil ist geprägt durch eine Vielfalt von Wohnungsangeboten für Menschen mit unterschiedlichem Einkommen und unterschiedlichen Lebensphasen. Zur Sicherstellung einer ausgewogenen Mischung werden unterschiedliche Wohngebäudetypen vorgeschlagen. Das Wohnungsangebot geht von genossenschaftlichen Wohnungen, über Wohnungen für Baugruppen und kleine Genossenschaften über experimentelle Wohnungen bis hin zu individuellen Wohnformen. Zur Sicherstellung der Privatheit werden die meisten Wohnbauten mit Hochparterre ausgeführt und erhalten einen grünen Vorbereich zur Straße, der z. B. als privater Regengarten dient.

Die Bereiche um den Landschaftssee sind typologisch durch kompakte, nutzungsmischte Geschossbauten geprägt, die sich durch lebendige EG-Zonen und die Einordnung von Dienstleistungen / Büros auszeichnen. Charakteristisch sind 5-geschossisge Blockstrukturen, die durch vertikale Akzente (max. 16 Geschosse) ergänzt werden. Die Übergangsbereiche zum Landschaftsraum hingegen sind wesentlich aufgelockerter mit Wohngebäuden für Baugruppen und Familien konzipiert. Hier prägen ein hoher Grünanteil und eine lockere Gebäudestellung den Charakter des Viertels. Ziele der vorgeschlagenen Stadtstruktur in diesem Bereich sind eine gute stadtklimatische Durchströmung mit Kaltluft, die auf den benachbarten offenen Acker- und Wiesenflächen entsteht, sowie eine abwechslungsreiche und biodiversitätsfördernde Verzahnung von Stadt- und Landschaftsraum.

Der Schulstandort mit Kita und Zweifeldsporthalle wird im Norden des Plangebietes vorgesehen, da dieser Standort auch von den nördlichen Nachbarquartieren fußläufig gut zu erreichen ist und einen guten Freiraumbezug aufweist. Entlang der B 6 wird ein Band aus urbanen, stark begrünten Dienstleistungs- und Gewerbehöfen vorgeschlagen. Die Bebauung an der B 6 wird geschlossen ausgebildet und dient als Schallschutzbebauung für die nördlich angrenzenden Wohnbauten.

 

 

 

 

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